Zu Lebzeiten von Kabir gab es einen König, Ibrahim Adam. Er war der König von Buchara. Er war in einem Zustand der ständigen, liebevollen Erinnerung an die Gotteskraft. Es war Mitternacht, eine mondhelle Nacht. Er war auf dem Dach, auf der Dachterrasse seines Palastes und dachte an Gott. „O Gott, bitte begegne mir.“ Während alle anderen schliefen, war er wach. Sein Gebet wurde erhört. Kabir materialisierte und manifestierte sich dort. Die Meisterkraft kommt zu dem, der erwacht ist. Aber es ist sehr schwierig aus dem tiefen Schlaf zu erwachen. Wer kann erwachen? Wer sich über die Ebene der Sinne erhebt. Wenn andere schlafen, ist er wach.

In welchem Zustand verbringen wir unsere Nächte? In Leidenschaften, im Tiefschlaf, in Träumen, wir träumen von der Welt – Tag für Tag läuft es so in unserem Leben ab. Wir denken nicht an die Gotteskraft. Die Gotteskraft erhört euch, wenn alle schlafen und ihr erwacht seid. Nur dann erhört Er euch. Man sagt, dass der entwickelt ist, dessen Nächte vollkommen sind (der in der Nacht in einem bewussten, erwachten Zustand ist). Der, dessen Nächte verdorben sind, wurde dadurch selbst verdorben. Jene, die sich bemühten, setzten immer einen Teil ihrer Schlafenszeit, ihrer Nächte (für die liebevolle Erinnerung an Gott, für die Meditation) ein. Es ist so wunderschön in der Nacht erwacht zu sein. Außen schlafen alle. Überall ist alles ruhig und klar und das, was ihr sucht, könnt ihr auch erhalten. Ihr möchtet die süße Liebe Gottes erhalten, während Er jemanden sucht, der wirklich erwacht ist.

Und so materialisierte sich Kabir dort im physischen Körper und der König drehte sich augenblicklich zu Ihm um. Der König fragte dann sogleich: „Wer bist du?“ Er sagte: „Ich bin ein Reisender.“ „Warum ist ein Reisender in meinen Palast gekommen?“ „Ich habe mein Kamel verloren,“ gab Kabir zur Antwort. „Wie könnte ein Kamel auf das Dach des Palastes kommen?“ Da sagte Kabir: „Wenn mein Kamel nicht auf das Dach des Hauses kommen kann, dann kannst auch du Gottes Liebe, den Gott in Dir, nicht erreichen, solange du nicht vom Palast herunter kommst. Du musst vom Palast herunter kommen, aus dem Palast heraus kommen.“ Dann gab ihm Kabir Seine Adresse. „Wenn du mehr erfahren willst, komm nach Indien, dort bin ich, dort lebe ich.“ Dann ging Er und löste sich in Luft auf.

Wie ihr wisst, kann sich die Meisterkraft materialisieren und manifestieren, sie kann sich in hunderttausend Formen gleichzeitig verbreiten. Sie ist der Meister, sie ist das Personifizierte Wort, das Gestalt annahm. Wer hat die Macht sich überall zu verbreiten, zu offenbaren? – Diese Kraft, die Er ist. Er ist die wirkende Gotteskraft. Man nennt Ihn die wirkende Gotteskraft, weil Er überall in der Welt wirkt, nicht nur hier in dieser Welt, sondern in allen drei Welten. Diese Kraft hat also alle Möglichkeiten Ihre Kraft, Ihre Aufmerksamkeit in der gesamten Schöpfung überall hin zu übermitteln und einfließen zu lassen. Er ist also diese Kraft, die sich zum Ausdruck bringende Gotteskraft. Jene Kraft war damals Kabir.

Und der König begab sich nach Indien und begann dort selbstlosen Dienst in der Küche von Kabir zu verrichten. Als er bereits sechs Monate dort gearbeitet hatte, sagte Kabirs Frau: „Meister, er ist schließlich ein König und alle Bürger seines Königreichs müssen auf ihn warten. Du solltest ihm die Initiation geben, er muss wieder zurückkehren. Ich sehe, dass er vollkommen bereit ist für die Initiation.“ Kabir erwiderte: „Nein, er ist nicht bereit für die Initiation. Wenn er früh morgens einen Spaziergang macht, wirf den Hausmüll vom Dach aus auf seinen Kopf.“ So machte sie es. Der König hielt an und sagte: „Wärst du in meinem Königreich in Buchara, hätte ich dich bestraft, ich hätte dich töten lassen.“ So sagte Kabir, dass das Ego, der Stolz auf die Königswürde immer noch in seinem Herzen ist. Er hat den Stolz auf die Königswürde noch nicht losgelassen. Er braucht noch Zeit (um bereit zu sein) für die Initiation. Die Initiation wird ihm gegeben werden, aber es wird noch einige Zeit dauern.

Weitere sechs Monate vergingen, dann sagte Kabir: „Jetzt ist er entwickelt.“ Und Mutter Loi sagte: „Meister, für mich sieht er genau gleich aus.“ Kabir sagte: „Gut, jetzt mische zu dem Abfall auch noch den Urin und so weiter dazu und wirf es über seinen Kopf.“ So machte sie es. Sofort hielt der König an und sagte: „O Gott, ich bin schlechter als alles andere, segne mich.“

So gab Kabir ihm die Initiation und er wurde in sein Königreich zurückgeschickt. Auf seinem Weg befand sich ein großer Fluss, genannt Dajla. Dort hielt er an. Die gesamte Armee und die Menschen aus seinem Land kamen, um den König zu empfangen. Der König nähte gerade etwas für seine Kleidung. Er sagte zu ihnen, dass er nicht die Absicht habe, in sein Königreich zurückzukehren. „Ich habe nicht den Wunsch dorthin zu gehen und zu regieren. Ich bin zwar ein König, aber jetzt denke ich, dass es einen anderen König gibt, ich war ein falscher König.“ Doch immer wieder baten sie ihn. Er aber nahm eine Nadel und warf sie in den Fluss. „Gut, bringt diese Nadel aus dem Fluss und ich werde mit euch gehen.“ Jeder suchte im Fluss nach der Nadel. Aber sie war nirgends zu finden. So sagten sie schließlich zum König: „Nun, König, wir können dir hunderttausend solcher Nadeln zur Verfügung stellen, lasst uns zurückkehren. Warum seid ihr hinter dieser speziellen Nadel her, ihr habt sie doch selbst bereits in den Fluss geworfen und sie ist irgendwo verschwunden.“ Er erwiderte: „Gut, tretet zurück.“ Er lenkte seine Aufmerksamkeit in das Wasser, ein Fisch kam, hielt die Nadel in seinem Maul und legte sie ihm zu seinen heiligen Füßen.

Er war ein Schüler, aber Er war auch personifizierte Liebe. Er erhielt alle Liebe von seinem Meister. Er sagte: „Warum sollte ich in ein Königreich zurückkehren, das so begrenzt ist, wenn Ihm die ganze Schöpfung zu Gebote steht und zu Füßen liegt.“ Das also ist Liebe. Liebe bedeutet, dass sie immer stärker, immer tiefer wird.

Aus einem Satsangvortrag von Dr. Harbhajan Singh

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